Hausarztmangel

Von der regionalen Sorge zum nationalen Problem


Der Abgang der Babyboomer-Ärzte ist Realität – ohne ausreichende Nachwuchsstrategien. Die wuchernde Bürokratie bremst die verbliebenen Haus- und Kinderärzte zusätzlich aus.
Schwer ersetzbar: Kinderärztin der «Boomer»-Generation 
Überalterung, sinkende Arbeitszeit, Nachwuchsmangel, Lücken: Dass es an der haus- und kinderärztlichen Versorgung vielfach fehlt, wird seit vielen Jahren debattiert. Die neue «Workforce»-Studie des Verbandes Mfe zeigt nun, wie aus Trends Realität wird und wie sich die Dringlichkeit verschärft.
Dass es zu wenig Grundversorgungs-Mediziner gibt – dies erscheint nun definitiv als flächendeckendes und landesweites Problem. In der Erhebung, bei der knapp 1800 Haus- und Kinderärzte befragt wurden, stellten mehr als drei Viertel einen Mangel in ihrer Region fest. Am besten scheint die Lage noch im Tessin, wo «nur» 64 Prozent Lücken bei Haus- und Kinderärzten meldeten – derweil zwischen Jura und Berner Oberland Werte über 90 Prozent beklagt werden.
Die «Workforce»-Studie wird jeweils vom Universitären Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel im Auftrag des Mfe erarbeitet; soeben erschien die fünfte Auflage. Und greifbar wird dabei, dass sich frühere Warnungen bestätigen. Die Versorgungslücke, die in der Erhebung 2010 noch punktuell war und vor allem als Zukunftsszenario erschien, tritt jetzt früher und flächendeckender ein. Die Dringlichkeit verschärft sich.
So besagte die Studie 2010, dass über 30 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte innert 10 bis 15 Jahren pensioniert werden. Heute liegt das Durchschnittsalter mit 52 Jahren noch höher, und 13 Prozent arbeiten bereits über ihrem Pensionsalter.
Was wurde getan?

 

Vom Trend zur Realität – der «Exodus» der Babyboomer-Generation tritt also exakt so ein wie vorhergesagt, ohne dass die Schweiz solide Nachwuchs-Lösungen aufgebaut hätte.
Die neue «Workforce»-Erhebung besagt, dass 22 Prozent bis 2030 und 40 Prozent bis 2035 ersetzt werden müssen.
Verschärft wird das Problem durch zwei weitere Faktoren:

Weniger Arbeitszeit: In den früheren Studien (2010/2015) lag die Arbeitszeit noch bei knapp 50 Stunden. Bis 2020 sank sie bereits gegen 45 Stunden, jetzt liegt der Wert bei 42 Stunden.

Mehr Bürokratie: Die Erhebung erfasst auch den Verlust bei der Zeit für Patienten durch den wuchernden administrativen Aufwand: Heute stehen 6 Stunden weniger für die Behandlung zur Verfügung als noch vor 20 Jahren.
«Die Grundversorgung ist die tragende Säule unseres Gesundheitssystems. Wenn diese wegbricht, verlieren die Patientinnen und Patienten ihren ersten Ansprechpartner – und damit die Sicherheit einer kontinuierlichen, koordinierten und bezahlbaren Behandlung in den Haus- und Kinderarztpraxen»: So kommentiert Monika Reber, die Co-Präsidentin von Mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, die Ergebnisse.
Zugleich betont die Studie erneut das gute Kosten-Nutzen-Verhältnis der Grundversorger: Danach lösen die Hausärzte 94 Prozent aller Gesundheitsprobleme bei einem Anteil von 8 Prozent an den Gesamt-Gesundheitskosten. Dieser Wert blieb offenbar über die Jahre konstant.

Dr. med. Bettina Gantenbein Meier

Dr. med. Markus Egolf

 

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